Das Sicherheitsgefühl bei uns Menschen ist schon echt wichtig. Wir sorgen selbst für unsere Sicherheit, aber die Polizei hilft auch dabei. Die Polizei Unterfranken hat am vergangenen Freitag die Sicherheitsbilanz für 2022 vorgestellt. Das große Hauptfazit ist: Die Menschen leben in Unterfranken sicher. Wir schauen jetzt mit Kriminaldirektor Holger Baumann auf die Region Main-Rhön. Wie fällt da die Bilanz aus?
In unsere Region steht ein ANKER-Zentrum. Man sagt immer, die ANKER-Zentren seien ein Gefahrenpunkt. Ist das wirklich so?
Wo sehen sie das Konfliktpotenzial?

Zahl der Straftaten bleibt auf niedrigem Niveau – Die Aufklärungsquote liegt erneut über 70 Prozent – Neue Betrugsform mittels Messengerdiensten
Trotz der Zunahme des Straßenverkehrs blieben die Unfallzahlen auf niedrigem Niveau – Anstieg der Verkehrsunfälle durch Alkoholeinfluss um 35 Prozent und unter Drogeneinfluss um 42 Prozent
 
Unterfranken. Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Wegfall der unterschiedlichsten Einschränkungen blieb die Anzahl der begangenen Straftaten auf niedrigem Niveau und stieg nach einer historisch niedrigen Kriminalitätsbelastung im letzten Jahr auf 46.280 (2021: 41.162) an (ohne ausländerrechtliche Delikte wie illegale Einreise oder illegaler Aufenthalt). Die unterfränkische Polizei konnte auch im vergangenen Jahr mit einer Aufklärungsquote von 70,3 Prozent (2021: 72,1) nahezu drei von vier Straftaten aufklären.
Eine Besonderheit stellt in der diesjährigen Sicherheitsbilanz der ergänzende Vergleich zum Jahr 2019 dar. Da die vergangenen zwei Jahre gekennzeichnet waren von der Corona Pandemie und ihren Einschränkungen, reflektiert diese Sicherbilanz an geeigneter Stelle auf das Vor-Corona-Jahr 2019, um eine bessere Vergleichbarkeit und Aussagekraft zu ermöglichen.
Die Menschen in Unterfranken leben sicher
Die Häufigkeitszahl, ein wichtiger Indikator für die Sicherheit in einer Region, blieb mit 3.505 (2019: 3.622) unter dem Wert von 2019. Nach einem Rekordtief im letzten Jahr mit 3.124 stieg die Anzahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner um rund 10 Prozent an. Die dennoch weiterhin niedrige Häufigkeitszahl belegt, dass die Menschen in Unterfranken sicher leben und sich sicher fühlen können.
Ein Blick auf die kreisfreien Städte Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg zeigt, dass nach einem deutlichen Rückgang der Fallzahlen zwischen 15 bis 21 Prozent im Jahr 2021 die Zahlen im letzten Jahr im vergleichbaren Rahmen wieder gestiegen sind. In allen drei Städten ereigneten sich im letzten Jahr jedoch weniger Straftaten als im Vor-Corona-Jahr 2019.
In den ländlichen Gebieten nahmen die Fallzahlen im Vorjahresvergleich zwischen 2,9 und 19,1 Prozent zu. Der Landkreis Main-Spessart weist dabei gefolgt vom Landkreis Haßberge die größten Steigerungsraten aus. Aber auch hier zeigt sich ein annähernd gleiches Kriminalitätsniveau wie 2019, was darauf schließen lässt, dass die coronabedingten Rückgänge in den Vorjahren hier besonders deutlich ausfielen.
Callcenter-Betrug – Verdreifachung der vollendeten Delikte
Trotz der Präventionskampagnen „Leg auf“, „Ich schütze Oma und Opa“ sowie „Chill mal Oma“, die vor den Manipulationen der Callcenterbetrüger warnen, stiegen die Fallzahlen im Bereich des Callcenter-Betruges weiter an. Mit 474 Taten verdreifachte sich die Anzahl der vollendeten Delikte und führte zu einem Vermögensschaden in Höhe von vier Millionen Euro (2021: 1,4 Mio. Euro). Maßgeblich zu dieser Entwicklung trug auch die Nutzung von Messenger Diensten wie WhatsApp als neue Plattform für die Kontaktaufnahme bei. So nahm die Begehungsweise durch Vortäuschen eines Beziehungsverhältnisses („Hallo Mama / Hallo Papa“) um mehr als das Vierfache zu.
In ihren Bemühungen, für eine möglichst niedrige Kriminalitätsbelastung bei einer hohen Aufklärungsquote zu sorgen, wird die unterfränkische Polizei nicht nachlassen. Der Präventionsarbeit im Bereich des Callcenterbetrugs kommt weiterhin große Bedeutung zu, um vor den perfiden Tricks der Betrüger zu warnen. Zeitgleich wird die Polizei alles daran setzen, die Täter zu ermitteln, um die Menschen vor ihnen zu schützen.
Internetkriminalität und Sexualdelikte steigen seit Jahren kontinuierlich an
Der Trend, dass Kriminelle das Internet für ihre Taten nutzen, hält unvermindert an und führt seit vier Jahren zu stark steigenden Fallzahlen. So stieg 2022 die Zahl der Internetkriminalität erneut um 14,7 Prozent auf 2.620 Delikte an. Bei knapp der Hälfte der Fälle handelt es sich um Betrugsdelikte, gefolgt von der Verbreitung pornografischer Inhalte.
Der Anstieg der Verbreitung (kinder-)pornografischer Inhalte war zudem sowohl im Vergleich zu 2021 (+ 20,1%) als auch im Vergleich zu 2019 (+ 191%) maßgeblich dafür verantwortlich, dass auch die Zahl der Sexualdelikte schon seit einigen Jahren kontinuierlich ansteigt (2022 im Vergleich zu 2021 von 1275 auf 1472 Delikte; +15,5% / im Vergleich zu 2019 von 952 auf 1472 Delikte; + 54,6%).
Gewaltdelikte und Diebstahlsdelikte auf dem Niveau von 2019
Demgegenüber sind zwar im Jahresvergleich 2021/2022 ebenfalls deutliche Anstiege im Bereich der Gewaltdelikte (Anstieg von 1381 auf 1675; + 20,2%) und Diebstahlsdelikte (Anstieg von 9072 auf 11351; + 25,1%) zu verzeichnen. Im Vergleich zu 2019 jedoch weisen diese Deliktsgruppen rückläufige Tendenzen auf (Gewaltdelikte – 1,8% / Diebstahlsdelikte – 2,6%).
Höheres Verkehrsaufkommen – Unfallzahlen blieben auf niedrigem Niveau
Im Jahr 2022 waren durch die Aufhebung der meisten Corona-Beschränkungen wieder deutlich mehr Verkehrsteilnehmer auf den unterfränkischen Straßen unterwegs. Einhergehend mit der Zunahme des Verkehrsaufkommens nahm auch die Zahl der Unfälle zu. Erfreulich ist dabei, dass die Anzahl der Unfälle mit 38.580 auf einem niedrigen Niveau und im Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 deutlich unter 42.275 geblieben ist. Die Zahl der durch einen Verkehrsunfall getöteten Menschen stieg auf 55 (2021: 50) und blieb damit im langjährigen Vergleich auf einem niedrigen Niveau.
Anstieg der Verkehrsunfälle durch Alkoholeinfluss um 35 Prozent – Unfälle unter Drogeneinfluss stiegen um 42 Prozent
Sorge bereitet die deutliche Zunahme an Verkehrsteilnehmern, die alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss ihr Kraftfahrzeug, Fahrrad oder ihren E-Scooter führten. So stieg die Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss um mehr als ein Drittel auf 486 (2021: 360). Bei den Unfällen unter dem Einfluss berauschender Mittel oder Medikamenten stieg die Zahl sogar um 42 Prozent auf 111 (2021: 78). Für beide Unfallarten stellt dies einen Höchststand in den letzten 10 Jahren dar. Besonders häufig sind Pkw-Fahrende und Radfahrende an Alkoholunfällen beteiligt. Jeder fünfte getötete Verkehrsteilnehmer kam bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss ums Leben.
Das Polizeipräsidium Unterfranken wird auch im Jahr 2023 mit einem gesamtstrategischen Ansatz, angelehnt an das Verkehrssicherheitsprogramm 2030 des Bayerischen Innenministeriums unter dem Motto „Bayern mobil – sicher ans Ziel“ für Sicherheit auf den unterfränkischen Straßen sorgen.
Einen zusätzlichen Fokus wird die unterfränkische Polizei im Jahr 2023 auf den Schwerverkehr legen. Speziell im Bereich des gewerblichen Güterverkehrs dient das Bundesgebiet und hier insbesondere Bayern als wichtige Nord-Süd-Achse in Europa. Zur Überwachung des Schwerverkehrs sowie der Reduzierung der Unfallgefahren und den oftmals schweren Unfallfolgen wird die unterfränkische Polizei neben landesweiten Schwerpunktwochen im Mai zusätzlich verschiedene Sonderkontrollen durchführen.

 

Sicherheitsbilanz 2022 der Polizei Unterfranken – Deutsche Polizeigewerkschaft zeigt sich
sehr besorgt hinsichtlich Entwicklungen im Bereich Kinderpornografie und
Internetkriminalität

„Auf den ersten Blick sieht die Sicherheitsbilanz der unterfränkischen Polizei für das Jahr 2022
gar nicht so schlecht aus, aber man muss schon genauer hinschauen und darf sich von den
reinen Zahlen nicht blenden lassen“ so der Bezirksvorsitzende der Deutschen
Polizeigewerkschaft in Unterfranken Thorsten Grimm. „Beunruhigend ist die Tatsache, dass
sich die Zahlen im Vergleich zu 2019 als „Vor-Corona-Bezugszeitraum“ in vielen Bereichen
schon wieder annähernd auf dem gleichen oder bereits auf einem höheren Niveau bewegen
– und das obwohl Teile des Jahres 2022 auch noch von Coronaeinschränkungen betroffen
waren. Wir werden also sehr zeitnah wieder Steigerungen in den Deliktsfeldern erleben, das
zeigen auch die Steigerungsraten zum Jahr 2021“ prophezeit der Polizeigewerkschafter. „Wir
dürfen zu keiner Zeit in den Bemühungen nachlassen, brauchen dazu aber vor allem auch das
notwendige Personal“ fordert Grimm auch im Hinblick auf sinkende Bewerber- und
Nachwuchszahlen auch für den unterfränkischen Bereich.
„Die explodierenden Entwicklungen in den Bereichen der Kinderpornografie, Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung oder auch der Callcenterbetrügereien sind erschreckend und
schockierend“. Hier fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft schon seit Jahren
entsprechende rechtlichen Voraussetzungen ein. „Die Kollegen/-innen, die in diesen
Bereichen eingesetzt sind und hervorragende Arbeit leisten, werden überschwemmt mit
derartigen Massendelikten. Aber dann muss es doch das Mindeste sein, dass Politik und Justiz
den Kollegen/-innen zumindest das notwendige rechtliche Handwerkszeug an die Hand gibt,
um erfolgreiche Ermittlungsarbeit leisten und Täter einer gerechten Strafe zuführen zu
können. Hier ist deshalb die Vorratsdatenspeicherung und auch die rechtlich einwandfreie
Anwendung von Online-Recherche-Analyse-Tools dringend notwendig. Es wird höchste Zeit,
dass die Parteien der Ampel-Regierung ihre ideologische Blockadehaltung aufgeben“ so
Grimm mit einer klaren Botschaft an die Bundesregierung und geht auch noch einen Schritt
weiter. „Hier wird Datenschutz zum Täterschutz gemacht – es muss aber um Opferschutz
gehen und jeder, der sich entsprechender Technik oder entsprechender rechtlicher
Befugnisse verweigert, macht sich am Ende ein Stück weit mitschuldig“.
Darüber hinaus fordert Thorsten Grimm auch in seiner Eigenschaft als 1. stv.
Landesvorsitzender der DPolG Bayern sowie stv. Bundesvorsitzender auch die Bereitstellung
der notwendigen finanziellen Mittel für entsprechende Technik: „Es muss uns klar sein, dass
wir um den Einsatz von künstlicher Intelligenz für effiziente Verbrechensbekämpfung nicht
herumkommen – und das kostet Geld, viel Geld. Die Straftäter, egal ob im In- oder Ausland,
kümmert das nicht, haben die technischen Voraussetzungen und machen damit
Milliardenumsätze. Wenn wir als Sicherheitsbehörden endlich mal vor die Lage kommen
wollen, brauchen wir neben den rechtlichen Befugnissen mindestens die gleichen finanziellen
Möglichkeiten, das Personal und die Technik“ so Grimm mit einem abschließenden Appell.

Quelle Polizei Unterfranken

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