Ganztägiger Workshop bringt viele Ideen, um verschiedene Ziel- und Altersgruppen zu erreichen, sich mit Rassismus und Kolonialismus auseinander zu setzen
Wie kann eine soziale Organisation wie die DAHW über die sozialen Probleme in Armutsländern berichten und um Unterstützung bitten, ohne Stereotype zu reproduzieren? Mit dieser Frage begrüßte Burkard Kömm, Geschäftsführer der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. (DAHW) rund sechzig Studierende der Bachelor- und Masterstudiengänge Angewandte Sozialwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.
Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulose e.V. (www.dahw.de) ist Kooperationspartner im Rahmen der digitalen Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Ulrich Gartzke und Thomas Peters, bei der sich die Studierenden mit Rassismus und Kolonialismus auseinandersetzten.
Rassismus und Kolonialismus sind in den Köpfen und Gesellschaften tief verankert und müssen immer wieder aufs Neue kritisch reflektiert und diskutiert werden, um rassistische Strukturen langfristig abzubauen. Längst ist klar: Auch Äußerungen, die nicht rassistisch „gemeint“ sind, reproduzieren Rassismus, grenzen aus und verletzen.
Die Studierenden nahmen aus filmischen Beiträgen Argumente und Ereignisse auf und fragten sich auf Basis zweier Dokumentarfilme selbst, inwiefern sie rassistische Gedanken in sich tragen. Die DAHW hatte zudem verschiedene Expertinnen und Experten u.a. aus Nigeria zum Gespräch eingeladen, damit sie sich mit den Studierenden über ihre Erfahrungen austauschen und diese den Blickwinkel der Betroffenen besser verstehen konnten.
Die Aufgabe der ganztägigen Lehrveranstaltung: „Wie kann man Zielgruppen dazu bewegen, sich mit dem Thema (struktureller) Rassismus und Kolonialismus auseinanderzusetzen und aktiv dagegen anzugehen?” (Mit dem strukturellen Rassismus sind keine Interaktionen zwischen zwei Menschen gemeint, sondern rassistische Strukturen und Entscheidungsabläufe.) Die für das Projekt definierten Zielgruppen sind
Touristinnen und Touristen
Business-Reisende
Schülerinnen und Schüler
Ehrenamtlich Tätige (DAHW) sowie
Spenderinnen und Spender
Zehn Studierendenteams entwickelten während des ganztägigen „Konzeptathons“ Ideen und stellten diese dem Plenum vor. Ein Konzeptathon stellt eine Kombination aus Konzepterstellung und „Hackathon“ (Hack und Marathon) dar, eine in Teamarbeit erstellte Lösungsfindung. Dabei wurden systematisch verschiedene agile Methoden des sog. Design Thinkings eingesetzt.
Wie lassen sich Touristinnen und Touristen erreichen? Dieser Aufgabe stellten sich Team 1 und 2. Während eine Gruppe eine interaktive Landkarte entwickelte, auf der Infos, Videos, Do`s und Dont`s sowie ein Quiz integriert waren und die z. B. über Reise-Websites und an Flughäfen Reisende anspricht, konzipierte das zweite Team ein Theaterprojekt: Geplant ist es als sog. Forumtheater, ein interaktives „Theater der Unterdrückten“, bei dem das Publikum gemeinschaftlich ein gutes Ende des Stückes entwickelt. Die Theaterform wird eingesetzt als Mittel, um in den Dialog zu treten, und um soziale Tatbestände zu verändern.
Zwei weitere studentische Teams überlegten sich Anknüpfungspunkte für Geschäftsreisende. Team 4 stellte eine sog. Human Library, eine lebendige Bibliothek, vor: Die Idee ist es, Menschen als Gesprächspartnerinnen und –partner „auszuleihen“, die sozial ausgegrenzt und mit Vorurteilen konfrontiert werden. In Dialogen und über Nachfragen können so bestehende Perspektiven neu überdacht werden. Das zweite Team spricht Business-Reisende mit „open your mind“ an: Als dreiteiliger Workshop können z.B. auf Messen Begegnungen mit internationalen Menschen auf Augenhöhe stattfinden, Fachwissen weitergegeben und Geschäftskulturen ausgetauscht werden.
Mit einem Theaterprojekt möchte Team 5 Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe erreichen. Einmal pro Woche können die Themen Rassismus und Kolonialismus als Wahlpflichtfach fokussiert werden. Externe Referierende können eingeladen und Vorführungen in der Schule durchgeführt werden. Mit Videos, Erfahrungsberichten, Rollen- und Fallbeispielen können Unterrichtseinheiten ergänzt werden. Mit einer Projektwoche „So bunt ist die Welt“ möchten Studierende des 6. Teams Grundschülerinnen und -schüler schulen: Zur Schaffung eines Wir-Gefühls sowie zur Sensibilisierung können die ABC-Schützen, in Gruppen aufgeteilt, z. B. verschiedene Kontinente vertreten, auf „Weltreise“ gehen, ein „Völkerball-Turnier“ durchführen und Klassenräume umgestalten.
Um ehrenamtliche Mitarbeitende anzusprechen, entwickelte Team 7 einen „Tag der Begegnungen“. Über Plakataktionen, thematische „Blind Dates“ und Berichte für Ehrenamt-Magazine könnte man auf Ehrenamtliche zugehen und sie in Gespräche und in den Austausch einbinden. Team 8 schlug eine Ausstellung vor mit dem Motto „Rassismus sichtbar machen: Zweideutig eindeutig“, um Studierenden alltäglichen und strukturellen Rassismus bewusstzumachen, für die Sprache und deren Wandel zu sensibilisieren und Brücken zu bauen.
Spenderinnen und Spender möchte Team 9 mit einem „Museum neuer Perspektiven“ erreichen. In dem Museum können Videos mit Erzählungen zu Rassismus-Erfahrungen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Musik, Wissenschaft und Technik aus verschiedenen Ländern eingesetzt werden. Einen anderen Ansatz wählte Team 10 mit seinem Konzept, Vorurteile „wegzuschreiben“: Das Team möchte insbesondere die Zielgruppe älterer Spenderinnen und Spendern mit der Idee abholen, Brieffreundschaften aufzubauen und Bäume der Freundschaft anzupflanzen. Filme sollen als Infoquelle dienen.
BMBF stellt elf Millionen Euro für neue Förderrichtlinie bereit
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert die Erforschung von Rechtsextremismus und Rassismus. Im Rahmen einer neuen Richtlinie sollen Forschungsvorhaben gefördert werden, die historische wie aktuelle Ursachen und Dynamiken von Rechtsextremismus und Rassismus unter Einbezug von Praxispartnern untersuchen und Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft erarbeiten. Mit dem Aufbau von zwei Wissensnetzwerken sollen außerdem die Forschungsfelder Rassismus und Rechtsextremismus stärker im Wissenschaftssystem verankert werden. Hierfür stellt das BMBF in den Jahren 2022 bis 2026 11 Millionen Euro bereit.
Quelle: FHWS