“Planfeststellungsverfahren laufen – weshalb Widerstand gegen überzogene Netzausbauplanungen weiterhin wichtig und richtig ist” und “Kommunale Wärmeplanung – Hintergründe, Folgen und Empfehlungen”
30.11.2023 Pfarrheim Bergrheinfeld
Mit großem Interesse verfolgten die zahlreichen Zuhörer beide Vorträge zu den Kernthemen Netzausbauplanungen sowie Kommunale Wärmeplanung.
Der Würzburger Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, aus der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte wies in seinen Ausführungen zum aktuellem Trassenstand darauf hin, dass entgegen den öffentlichen Erklärungen der Firma Tennet nur zwei von insgesamt 14 Abschnitten der Stromtrasse SuedLink genehmigt sind: So sind von den Abschnitten A1 bis E3, in die der Suedlink unterteilt ist, aktuell nur der Anfangspunkt (Elbquerung im Norden) und der Endpunkt (Bad Friedrichshall/ Großgartach) Plan festgestellt. Für die restlichen Abschnitte der 700 km langen Leitungstrasse werden derzeit erst die Planunterlagen erstellt. Wie in Bergrheinfeld laufen für Sie die Planfeststellungsverfahren noch. Eigentlich sollten sämtliche Abschnitte schon in Betrieb gegangen sein, jetzt geht man davon aus, dass frühestens 2028 eine teilweise Inbetriebnahme erfolgen würde. Da mit Klagen zu rechnen ist, könnte der Strom nach Einschätzung von Rechtsanwalt Baumann bestenfalls ab 2030 fließen.
Zwischenzeitlich sind deutliche Finanzierungsprobleme für die Stromautobahnen festzustellen. Aktuell laufen – so Rechtsanwalt Baumann – Verhandlungen der Firma Tennet mit dem Bundeswirtschaftsministerium auf Übernahme der Stromtrassen, weil Tennet die hohen Kosten nicht mehr schultern will oder kann. In Anbetracht der Haushaltslage des Bundes damit die Finanzierung von SuedLink infrage gestellt sein. Entfiele zudem der eingeplante Bundeszuschuss von jährlich 5,5 Milliarden € für den Strompreis, müssten die an sich schon belasteten Stromkunden doppelt soviel für Leitungskosten bezahlen. Diese kämen zu den an sich schon steigenden Energiekosten hinzu. Nach Auffassung von Baumann würde dies den Widerstand gegen die Stromautobahnen deutlich erhöhen, weil die betroffenen Stromkunden dies alles nicht gefallen lassen würden. Denn alle Kosten müssten über Netzentgelte und damit durch den Einzelbürger abgedeckt werden, dies sei unerträglich, so die Anmerkung eines Besuchers der Veranstaltung. Durch die Kappung der 3 % Regelung– welche nun besagt, dass auch jede erzeugte KW sicher transportiert werden muss, koste es was es wolle – wird ein neuer zusätzlicher Netzausbau von 40 % der aktuellen Leitungen notwendig. Eine Zahl, die darauf hinweist, dass der geplante Netzausbau immer mehr aus dem Ruder läuft.
Mit der Eröffnung des Planfeststellungsverfahren tritt für die Flächen in der Trasse eine neue Veränderungssperre nach Gesetz in Kraft. Das wird die betroffenen Ortsteile und Randgemeinden – sowie Aussiedlungen – weiterhin in Ihren zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten massiv einschränken. Mit der Zunahme an Leitungen würden noch mehr Flächen in der Region und in ganz Deutschland durch Veränderungssperren blockiert. Dies würde insbesondere auf die Landwirtschaft negative Auswirkungen haben.
Rainer Kleedörfer, 2. Vorstand BI Bergrheinfeld, informiert über die ab 1. Januar 2024 gesetzlich für alle Kommunen vorgeschriebene Kommunale Wärmeplanung mit Hintergründen, Folgen und Empfehlungen. Gemeinden bis 10.000 Einwohner müssen diese bis spätestens Mitte 2028 erstellen.
Größere Kommunen früher. Im Rahmen der Wärmeplanung legt die Kommune fest, in welchen Gemeindeteilen zukünftig bspw. Nahwärmenetze, Wasserstoffnetze oder bspw. Wärmepumpen die
vorrangige Technologie sein soll. Ziel ist es, die Wärmeversorgung über die Jahre klimaneutral zu bekommen. Die Kommunale Wärmeplanung geht in mehreren Schritten voran. Zu Beginn steht die Datenerhebung über das gesamte Gemeindegebiet. Dazu gehören bspw. Informationen, über Gebäudegröße und Gebäudenutzung aber auch die Heizungsart. Kaminkehrer und Strom- und
Gasnetzbetreiber werden hier Daten an die Gemeinde zuliefern. In weiteren Schritten wird untersucht, welche Energiequellen vor Ort verfügbar und erschließbar sind. Dazu gehören bspw. größere Wärmepumpen aber auch die Windkraft oder unvermeidbare industrielle Abwärme. Im Zuge einer Kommunalen Wärmeplanung wird auch die Frage aufkommen, ob ein heutiges Erdgasnetz perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden kann oder eben nicht. Die Kommunale Wärmeplanung muss regelmäßig alle paar Jahre durchgeführt werden. Den Kommunen wurde empfohlen, von Beginn an die Strom- und Gasnetzbetreiber vor Ort einzubinden. Ebenso wurde auf eine fachliche Begleitung der Kommunen hingewiesen.
Wie in letzter Zeit schon mehrfach vorgekommen, steigt durch das Handeln des Gesetzgebers der Druck auf Verantwortliche vor Ort in den Kommunen und damit auf die Bürgermeister*in und Gemeinderäte. Das ist einerseits vorteilhaft, da dort die Ortskenntnis vorhanden ist. Wenn sich aus einer Kommunalen Wärmeplanung aber mittelbar teure – oftmals sechsstellige – Sanierungszwänge für Immobilienbesitzer ergeben, ist das schnell Konflikt beladen. Kluges Handeln der Gemeinderäte ist
hier wichtig.
Rainer Kleedörfer empfiehlt daher, vom Ende her zu Denken. Welche Folgen haben Entscheidungen des Gemeinderates für die Bürgerinnen und Bürger mittel- und langfristig. Daneben ist regelmäßige Kommunikation mit der Bürgerschaft wichtig. Akzeptanz wird nur entstehen, wenn vor Ort gute Lösungen gefunden werden, die die Bürger und Bürgerinnen mittragen.
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