Nach rätselhaften Todesfällen in der “Seniorenresidenz Schloss Gleusdorf” in Untermerzbach hat die Staatsanwaltschaft drei Verdächtige angeklagt. Der Heimleiterin, dem Pflegedienstleiter sowie einem Arzt werde Totschlag durch Unterlassen in einem Fall und versuchter Totschlag durch Unterlassen in zwei Fällen vorgeworfen, teilte die Behörde in Bamberg am Freitag mit.

In der Seniorenresidenz waren vor mehr als drei Jahren fünf Bewohner unter dubiosen Umständen gestorben. Die Beschuldigten sollen sich der Staatsanwaltschaft zufolge in den drei Fällen als “Herren über Leben und Tod” verhalten haben. Die Bewohner hätten die erforderliche medizinische Versorgung nicht erhalten. Auch seien sie nicht in ein Krankenhaus verlegt worden.

[dpa] Die Angeklagten reagierten ihrem Anwalt Thomas Mönius zufolge
gefasst. “Die Anklage ist keine Überraschung”, sagte Mönius.

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Das Landratsamt Haßberge wollte wegen der Vorwürfe eine Schließung
der Seniorenresidenz erreichen, unterlag aber vor Gericht. Es sei
deshalb ein Widerspruchsverfahren bei der Regierung Unterfranken
gestartet worden, sagte eine Sprecherin des Landratsamts am Freitag.

Über die Anklage gegen die drei Tatverdächtigen muss das Landgericht
Bamberg entscheiden. Erst dann kommt es zu einem Strafprozess.

Der Artikel wird laufend aktualisiert.

Hier die offizielle Mitteilung der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat gegen die Heimleiterin, den Pflegedienstleiter sowie einen für die Seniorenresidenz Gleusdorf tätigen Arzt Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts Bamberg als Schwurgericht erhoben. Das Verfahren gegen einen weiteren Heimleiter und Mitgesellschafter wurde eingestellt. Die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Seniorenheimes in Gleusdorf konnten zwischenzeitlich abgeschlossen werden. Nach Sichtung und Auswertung einer Vielzahl von Patientenakten und Pflegeunterlagen, sicher-gestellter Mobiltelefone und anderer Speichermedien, der Erholung zahlreicher rechtsmedizinischer Sachverständigengutachten sowie der Einvernahme von über 50 Zeugen durch die Staatsanwaltschaft und eine zeitweise zehnköpfige Ermittlungskommission der Kriminalpolizei Schweinfurt sieht die Staatanwaltschaft Bamberg gegen die drei Angeschuldigten einen dringen-den Tatverdacht des mittäterschaftlich begangenen Totschlags durch Unter-lassen in einem Fall, des mittäterschaftlich begangenen versuchten Totschlags durch Unterlassen in zwei Fällen, jeweils zugleich mit Misshandlung von Schutzbefohlenen, sowie einer weiteren Misshandlung von Schutzbefohlenen. Dem ehemaligen Pflegedienstleiter wird darüber hinaus eine vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines psychisch kranken Heimbewohners zur Last gelegt, dem angeklagten Arzt mittelbare Falschbeurkundung in drei Fällen durch die Ausstellung unrichtiger Todesbescheinigungen. Die Angeschuldigten sollen sich in drei Fällen im gemeinschaftlichen Zusammenwirken aus Sorglosigkeit gegenüber dem Wohl der alten, kranken und hilflosen Heimbewohner, als „Herren über Leben und Tod“ verhalten haben und den Bewohnern die erforderliche medizinische Versorgung nicht gewährt oder die dringend gebotene Verlegung in ein Krankenhaus nicht veranlasst haben, was in einem Fall den Tod eines Heimbewohners und in zwei weiteren Fällen jedenfalls erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge gehabt haben soll. In einem vierten Fall sollen sie einem Bewohner trotz dessen ausdrücklich in einer Patientenverfügung geäußerten Wunsches die gebotenen schmerzlindernden Maßnahmen vorenthalten und diesem dadurch erhebliche, vermeidbare Schmerzen zugefügt haben. Zudem soll der Pflegedienstleiter einem psychisch kranken Heimbewohner, der die Nachtruhe nicht eingehalten hat, einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und dazu geäußert haben: „Halt die Fresse und schlaf!“. Der im Rahmen eines Kooperationsvertrages für das Pflegeheim zuständige praktische Arzt soll in drei Fällen unrichtige Todesbescheinigungen ausgestellt haben, indem er beispielsweise nach einem Sturzereignis einen natürlichen Tod bescheinigt oder unzutreffende Todesursachen angegeben haben soll, um die tatsächlichen Todesumstände zu verschleiern. Die des Totschlags und des versuchten Totschlags verdächtige Heimleiterin und der Pflegedienstleiter befanden sich Ende 2016/Anfang 2017 mehrere Monate in Untersuchungshaft, bevor die Haftbefehle auf ihre Beschwerden hin außer Vollzug gesetzt und später nach dem Wegfall von Verdunkelungsgefahr auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgehoben wurden. Im Zusammenhang mit den extrem aufwändigen Ermittlungen wurden mehr als 50 Tatvorwürfe geprüft, die zu einem Großteil mangels ausreichend konkreter Zeugenaussagen oder wegen bereits eingetretener Verjährung eingestellt werden mussten. Ebenso wurde das Verfahren gegen einen weiteren Heimleiter und Mitgesellschafter eingestellt, weil ihm eine Tatbeteiligung nicht nachzuweisen war und er zudem bereits durch das Landgericht Hof wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, neben der eine weitere Bestrafung wegen etwaiger verbleibender Straftaten nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fiele. Ein Ermittlungsverfahren gegen eine als Zeugin vernommene Mitarbeiterin des Pflegeheimes wegen uneidlicher Falschaussage wurde zwischenzeitlich wieder eingestellt, weil sich der Tatvorwurf nicht bestätigte.