Der Schweinfurter Stadtrat hat gestern beschlossen, die Gebühren für die Nutzung der Obdachlosenunterkunft in der Euerbacher Straße von 2,60 Euro pro Quadratmeter auf 5 Euro zu erhöhen. Da Obdachlose nur selten finanzielle Unterstützung vom Staat erhalten, wird es für sie gerade jetzt in der kalten Jahreszeit schwieriger, diese erhöhten Kosten aufzubringen. Dafür sind vielfältige Gründe mitverantwortlich. Ist man Wohnungslos kommt man oftmals in einen Teufelskreis. Dieser kann Verarmung und soziale Isolation bedeuten, welche die Menschen deprimiert, krank macht und Fluchtreaktionen – häufig in Alkohol oder andere Drogen – auslösen kann. Oftmals wird es dann auch schwierig die ihnen zustehende Hilfe anzunehmen, wenn das Hilfesystem keine passenden Hilfen anbietet, notwendige Hilfe verweigert oder im Einzelfall ungeeignete Hilfe aufgedrängt wird.

Update:

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Wer in die Obdachlosenunterkunft muss, hat immer Anspruch auf Erstattung seiner Kosten durch das Sozialamt, dieser Anspruch muss aber erst geltend gemacht werden.
Es wird, laut Verwaltung, keiner der Betroffenen durch die Erhöhung schlechter gestellt.

Wenngleich Obdachlosen zwar Sozialleistungen vom Staat zustehen, fällt es vielen schwer, diese Hilfen auch anzunehmen. Das hängt wie oben beschrieben, auch mit vielschichtigen Problemen von Obdachlosen zusammen, wie karitative Wohnungslosenhilfen gegenüber Primaton bestätigten. Genauere Informationen zur Rechtsverwirklichung von Hilfen findet man beispielsweise bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V..

Update 2:

Von Seiten der Stadt wollte man uns erst nach der Sitzung ein Interview zu der ganzen Thematik geben, aktuell will man sich nicht mehr dazu äußern. Wir können uns daher nur auf die uns vorliegenden Informationen beziehen. Die Satzungen stammen aus den Jahren 1972 bzw 1981 weshalb sie veraltet sind und überarbeitet werden müssen. Die Gebühren sollen demnach inklusive der Nebenkosten für Wasser an den aktuellen Mietspiegel in Schweinfurt angepasst werden. Die Kosten werden dabei für die zugewiesenen Räume berechnet.

Nach den Angaben des Antrags steigen mit der Erhöhung der Gebühren die Finanzströme des Bundes über das Arbeitslosengeld 2 an die städtischen Kassen. Weder für Benutzer noch für die Stadt sollen deshalb höhere Kosten anfallen. Das Problem an der Situation ist, dass es Menschen gibt, die schlicht kein Geld vom Staat annehmen wollen. Andere haben mit psychischen Erkrankungen oder einer Sucht zu kämpfen. Auch die Angst oder Scham vor einem Besuch im Jobcenter kann eine Rolle spielen.

Update 3:

Ein ausführliches Interview mit dem Ordnungsreferenten der Stadt Schwienfurt, Jan von Lackum, über die Beweggründe der Erhöhung, gibt es jetzt hier zum Nachhören:

 

Hintergrund:

Die Zahl der Obdachlosen nimmt seit Jahren zu. Nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnugslosenhilfe (BAG W) lebten im Jahr 2016 etwa 52.000 Menschen auf der Straße. 2008 waren es noch 20.000. Die Zahl der Wohnungslosen ist aber noch deutlich höher. So waren 2016 860.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung – mehr als doppelt so viele wie noch 2014. Die meisten werden im öffentlichen Leben gar nicht wahrgenommen, da sie bei Freunden, in Wohnheimen oder Notunterkünften wohnen. Sie haben zwar ein Dach über dem Kopf, aber kein gesichertes Mietverhältnis. Buchstäblich bdachlos sind also nur 6 Prozent der Wohnungslosen – aber auch dann nicht zwingend als solche zu erkennen. Man versucht oftmal einen bürgerlichen Schein aufrecht zuerhalten. Doch dieser Schein dürfte viel Kraft kosten. Zum einen kann allein der Versuch seine Not unter sauberen Klamotten zu verstecken, an fehlenden Ressorucen scheitern. Zum anderen wächst der psychische Druck, gegen die vielen Vorurteile anzugehen. In der Sozialpsychologie nennt man sowas normative Konformität. – Und anders herum, Zuschreibungen erfüllen sich irgendwann von selbst, man muss sie nur oft genug aussprechen.
Man könnte es also etwas vereinfacht formulieren. Man sieht nur die wirklich aller unterste Schicht , diejenigen, die ihr Leid nicht mehr verstecken können. Der Rest bleibt für uns unsichtbar.

Über die eigentlichen Gründe für den massiven Anstieg der Wohnungs- und Obdachlosigkeit wird dabei sowieso nur selten gesprochen. Wie der ehemalige Geschäftsführer der BAG W gegenüber der Zeit sagte, „zwar sind Schicksalsschläge wie Trennung, Krankheit oder Jobverlust oft Auslöser für den Wohnungsverlust, aber die gesellschaftlichen Wirkkräfte, die zum massiven Anstieg der Wohnugslosigkeit führen, sind die zunehmende Verarmung und Wohnungsnot.“