Hinten von links: Diyab Yesil, gfi-Gruppenleiter; Stephan Zeller, gfi-Leiter; Thorsten Schubert, Jugendamtsleiter; vorne von links: Tatjana Tichy, gfi-Zentrale; Susanne Winter, Mitarbeiterin der Integrationsbeauftragten, die neuen Heroes Khalil Derwish, Hasan Sayed Yahya, Salaheddin Ayoubi, Abdulrahman Alzahrani; Mohammed Daoudi, gfi-Gruppenleiter und Claudia Federspiel, gfi-Projektleitung. Es fehlen: Amrullah Nazari und Mohamad Mezal. Foto: Ingo Göllner, gfi-Schweinfurt

Die neuen „Heroes“ erhielten am Mittwoch ihr Zertifikat, welches sie berechtigt ehrenamtlich Workshops an Schulen und Jugendeinrichtungen gegen Unterdrückung im Namen der Ehre und für Gleichberechtigung zu halten.
Die Veranstaltung, die von gfi-Leiter Stephan Zeller und gfi-Mitarbeiterin Elke Riegger moderiert wurde, fand aufgrund der aktuellen Corona-Situation als hybride Veranstaltung statt.
Die bayerische Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer bedauerte sehr ihre geplante Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig absagen zu müssen. Sie ließ es sich aber nicht nehmen ihre vorbereiteten Grußworte durch ihre Mitarbeiterin Susanne Winter überbringen zu lassen: „Die Heroes-Projekte leisten gerade im Bereich Wertevermittlung einen vorbildlichen Beitrag. In ihrem Leitmotiv geht es um Gleichberechtigung, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Nationalität, Alter und Status. Die jungen Männer bringen den Mut auf, bisher vermittelte Strukturen zu hinterfragen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Davon profitieren alle: ihre Familie, die Gesellschaft, aber vor allem sie selbst“, zitierte Susanne Winter aus der Rede von Brendel-Fischer.
In seinem Grußwort ging Thorsten Schubert, der Leiter des Jugendamts der Stadt Schweinfurt, auf die Bedeutung des Projekts für die pädagogische Jugendarbeit in der Stadt und der Region hin sowie auf die jahrelange Unterstützung auch in finanzieller Hinsicht. „Insbesondere im Peer-to-Peer-Ansatz sehe ich einen herausragenden Vorteil bei dieser schwierigen Thematik“, so Schubert.
Claudia Federspiel war besonders erfreut, dass sich in diesem Jahr erneut viele Vertreter von Schulen und Berufsschulen aus Schweinfurt und Umgebung eingefunden haben. „Zeigt uns das doch das wachsende Interesse an diesem Projekt und die Dringlichkeit diese Themen an Schulen anzusprechen“, so die Projektleiterin der gfi Schweinfurt.
Seit Anfang November 2019 treffen sich Jungs aus Syrien und Afghanistan, wöchentlich zu sogenannten HEROES-Gruppenstunden. Gemeinsam mit ihren Gruppenleitern Mohammed Daoudi und Diyap Yesil, diskutieren sie über Themen wie Ehre, Gleichberechtigung, Sexismus, Unterdrückung, Homosexualität u.v.m.
Das Ziel ist es, Jungen und jungen Männern die Möglichkeit zu geben, sich von Machtstrukturen zu distanzieren. Im Laufe des Trainings erlangen sie die Stärke und Fähigkeit die Grenzen, welche die Ehrenkultur auch für sie selbst setzt, zu überwinden.
Der Ausgangspunkt der Arbeit mit jungen Männern aus Ehrenkulturen ist das Bewusstmachen, dass die auf der Ehrenunterdrückung von Frauen basierte Männerrolle mit den Wertvorstellungen der modernen westlichen Gesellschaft nicht übereinstimmt.
Während der Coronazeit arbeiteten die Schweinfurter Heroes-Gruppenleiter intensiv an neuen Methoden und Techniken, um die Gruppenstunden vorerst online weiterführen zu können. “Wer unsere Arbeit kennt, weiß sicherlich wie schwierig es ist diese sensiblen Themen online zu behandeln. Die Jungs hatten ja nicht mal die Gelegenheit sich richtig kennenzulernen”, bedauerte Mohammed Daoudi, Gruppenleiter der Schweinfurter HEROES. “Ein gut funktionierendes Team und vor allem gegenseitiges Vertrauen ist die Basis unserer Ausbildungsarbeit”, so Diyap Yesil, Psychologe und Gruppenleiter.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Heranwachsende mit Migrationshintergrund unterschiedlichen Erwartungen genügen müssen. Sie befinden sich zwischen den Traditionen, dem kulturellen und sozialen Hintergrund ihrer Eltern und den Werten und Anforderungen der deutschen Gesellschaft, in der sie leben.
HEROES arbeitet mit Gruppenleitern, die Migrationshintergrund haben und damit ein ähnliches Erfahrungsspektrum aufweisen wie die Zielgruppe. Sie stellen eine Art „große Brüder“ dar, die es geschafft haben, sich von tradierten Rollenvorstellungen zu lösen. Damit sind sie Vorbilder, Leiter und Freunde zugleich. Durch theaterpädagogische Übungen setzen sich die Jugendlichen intensiv mit der Thematik auseinander und erlernen zugleich Präsentationsmethoden, Argumentation und szenisches Rollenspiel als Vorbereitung auf ihre Workshops.
Ein solches Rollenspiel haben die Jungs aus der Zertifizierungsgruppe bei ihrer gestrigen Anerkennungsfeier den Zuschauern gezeigt: „Mit diesem Rollenspiel wollen wir nicht nur die Gleichberechtigung thematisieren, sondern mit einem weniger stereotypen Vaterbild den Jugendlichen aufzeigen, dass auch in den Ehrenkulturen andere Männerbilder existieren können. Deshalb haben wir in unserem Rollenspiel einen Vater, der nicht der traditionellen Erwartungshaltung entspricht. Er schlichtet einen Streit zwischen Tochter und Sohn und plädiert für Freiheit und Selbstbestimmung“, erklärt Diyap Yesil. Das Publikum honorierte die Darbietung mit großem Applaus.

Quelle: bfz Schweinfurt

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